Der Shared Digital Twin des Fraunhofer CCIT

Datentausch ohne Kontrollverlust

Je näher der Wartungsintervall einer Anlage an der realen Verschleißgrenze liegt, umso wirtschaftlicher für den Betreiber. Dafür müsste er den Anlagenbauer kontinuierlich mit Daten versorgen. Am Fraunhofer CCIT entsteht gerade ein Verfahren, bei dem der Betreiber in diesem Szenario die Datenhoheit behält.
Bild: Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST

Das Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies CCIT hat eine IoT-Architektur entwickelt, die die Daten eines solchen Unternehmensprozesses in einen ‚Shared Digital Twin‘ integriert. Diese Daten können auf der Basis von Konnektoren mit anderen Unternehmen geteilt werden, wobei das datengebende Unternehmen die Nutzung der Daten kontrollieren kann. Zur Umsetzung setzt das Fraunhofer CCIT auf zwei wohl definierte Schnittstellen: Die Verwaltungsschale der Plattform Industrie 4.0 und die International Data Spaces, die einen internationalen Standard für den souveränen Austausch von Daten zwischen mehreren Unternehmen in einer Wertschöpfungskette schaffen.

Szenario Instandhaltung

Ein typisches Szenario, in dem ein Datenaustausch zwischen einem Datengeber und einem Datenempfänger von hoher Relevanz ist, ist die Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) von Anlagen: „Der Anlagenbetreiber produziert Informationen zu seiner Anlage, die er dem mit der Wartung beauftragten Anlagenhersteller zur Verfügung stellen möchte“, erklärt Hendrik Haße vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST, das die Lösung im Rahmen des Fraunhofer CCIT-Clusters umgesetzt hat. „Wenn die Daten über einen ´Shared Digital Twin´ ausgetauscht werden, können beide Unternehmen den Zwilling mit Daten anreichern. So kann in diesem Beispiel der Anlagenhersteller die vom Anlagenbetreiber eingestellten Nutzungsdaten mit eigenen Daten über die Maschine kombinieren und auf diese Weise passgenauere Wartungsintervalle anbieten.“

Mehr als Simulation

Bei einem digitalen Zwilling geht es um mehr als um ein reines digitales Abbild eines realen Gegenstandes oder Prozesses: Kern des Digital Twins ist die Datenintegration. Die Daten können aus verschiedenen Quellen stammen und unterschiedliche Formate besitzen. Sie werden über den Lebenszyklus eines Unternehmenswerts wie beispielsweise einer Anlage, einem Produkt oder einem Prozess in einem zentralen Repository zur Verfügung gestellt. In ihm können dann verschiedene Analysen mit den Daten durchgeführt werden. Diese können etwa aus dem Bereich des Machine Learnings oder der Predictive Maintenance stammen. Der Shared Digital Twin wurde auf Basis der vom Fraunhofer ISST entwickelten IoT-Architektur Riotana (Realtime IoT Analytics) entworfen. Mit der Architektur können aus den Rohdaten laufender Prozesse (etwa Schwingungen, Temperatur oder Reibung) in Echtzeit Kennzahlen generiert werden. Die Infrastruktur umfasst mobile Sensoren etwa für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Beschleunigung, die die von ihnen erfassten Daten zur Weiterverarbeitung an ein Backend senden. Das IoT-Backend besteht aus einer skalierbaren Daten-Pipeline zur Aufnahme und Analyse von Sensordatenströmen. Mit dem zugehörigen Editor lassen sich Zuordnungen von Sensormodulen zu Orten oder physischen Objekten sowie die zu erfassenden Sensorinformationen festlegen.

Einsatz etablierter Standards

Als digitaler Zwilling kommt die von der Plattform Industrie 4.0, im Rahmen der RAMI 4.0 Referenzarchitektur definierten Verwaltungsschale zum Einsatz, so dass das Framework und die Schnittstellen des Zwillings einheitlich sind, denn die Verwaltungsschale dient dem Zweck, herstellerübergreifende Interoperabilität zu schaffen. Sie kann für nicht-intelligente und intelligente Produkte eingesetzt werden. Die Verwaltungsschale bindet den Gegenstand in die Kommunikation ein und ist im Netz adressierbar. Auf die Informationen zu dem eindeutig definierbaren Gegenstand kann kontrolliert, sicher und standardisiert zugegriffen werden.

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Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechn

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