Predictive Maintenance in der Halbleiterproduktion

Dem Klang der Ventile lauschen

Ein digitales Monitoring seiner Produktionsanlagen ermöglicht dem Chiphersteller GlobalFoundries die vorausschauende Wartung der Reinstwasser-Ventile. Im Gegensatz zur vorherigen Lösung eine echte Zeitersparnis.
Bild: GlobalFoundries

Für die Fertigung seiner Mikrochips betreibt der US-amerikanische Halbleiterhersteller GlobalFoundries (GF) in Dresden einen Fertigungsreinraum. Erst nach mehr als 1.000 Prozessschritten sind die Chips für die Automobil- und Fertigungsindustrie, die Computer-, Mobilfunk- und Unterhaltungselektronikbranche fertig. Die Fertigungsabschnitte sowie die Anlagen überwacht das Unternehmen genau. Die Produktion läuft rund um die Uhr. Unterbrechungen durch Ausfälle einzelner Anlagenteile oder Qualitätsschwankungen gilt es zu vermeiden. Daher setzt GF auf die vorausschauende Instandhaltung um die Wahrscheinlichkeit für Ausfälle zu verringern.

Aufwand für die Ventilwartung

Die Stellen, an denen Predictive Maintenance zum Einsatz kommt, sind oft unscheinbar und doch kritisch für den Produktionsprozess. Ein Beispiel sind die Ventile: Ein wichtiges Versorgungsmedium in der Produktion von Halbleitern ist Reinstwasser. Die Wafer, die das Grundmaterial für die Herstellung von Chips sind, müssen von Chemikalienresten befreit werden. Der Zu- und Ablauf zu den speziellen Becken, in denen die Chips gesäubert werden, wird über Ventile reguliert. Sie sind demnach produktionskritisch, aber Defekte an ihnen ließen sich bisher nicht vorhersehen. Daher wurden sie in der Vergangenheit von Mitarbeitern vor Ort überwacht und kontrolliert. Da aktueller und künftiger Wartungszustand jedoch nicht genau zu bestimmen waren, ließen sich Wartungen und Reparaturen nicht genau planen. Ein Ausfall oder Defekt der Regelventile hat Druckschwankungen im jeweiligen System zur Folge, der sich im schlimmsten Fall negativ auf das Produkt auswirken kann. Die Fehlersuche war ebenfalls bislang komplex. Fachleute mussten oft unterschiedliche Quellen analysieren und auch die Komponentenhersteller hinzuziehen. Indikatoren oder Messinstrumente, um die einzelnen Komponenten der Ventile zu überwachen und deren Zustand zu bewerten, gab es zuvor nicht.

Bild: GlobalFoundries

Überwachungsprozess digitalisieren

Vor diesem Hintergrund sollte der gesamte Überwachungsprozess digitalisiert und dazu eine weitreichende IoT-Lösung geschaffen werden. Dafür initiierte der Chiphersteller gemeinsam mit T-Systems MMS, Sensry, dem IoT-Startup Coderitter und Infineon ein Projekt im Rahmen der ‚Digital Product Factory‘. Dabei handelt es sich um ein dreimonatiges, methodisch geführtes Co-Innovationsformat des Smart Systems Hub, das eines von zwölf Digitalprojekten der Digital-Hub-Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist. Mit Hilfe der Projektmethodik wurden schnell Fragestellungen und Risiken adressiert sowie technologische Kompetenzen der einzelnen Partner verbunden.

Zustandsüberwachung in Echtzeit

Für die Überwachung der Reinstwasser-Ventile kommt bei dem Chiphersteller nun ein akustischer Sensor zum Einsatz. Dieser kann anhand des Klangs unterscheiden, ob ein Ventil normal arbeitet oder defekt ist. Den dafür notwendigen Mikrofon-Sensor liefert Infineon. Mit einem zusätzlichen Beschleunigungssensor des Fraunhofer Instituts für Elektronische Nanosysteme (ENAS) werden außerdem Vibrationen erfasst. Vor Ort wird für die Überwachung die hochintegrierte Edge-Hardware des Sensorikspezialisten Sensry verwendet. Gemeinsam mit den Coderittern entwickelte Machine-Learning-Algorithmen verarbeiten die gewonnen Daten vor. Um die Daten in die Cloud zu übertragen und auf Dashboards darzustellen, kommt die T-Systems MMS-Plattform ‚Cloud Shopfloor Intelligence‘ zum Einsatz. Die Daten zum Zustand der Ventile können nun in Echtzeit aus der Ferne abgerufen und in weitere Prozessschritte integriert werden. Eine künstliche Intelligenz, die mit den Daten trainiert wird, ermöglicht Aussagen über den künftigen Betriebszustand der Ventile. Beginnende Defekte können dadurch früh erkannt werden. Da die Anwendung keine Insellösung ist, funktioniert sie zudem herstellerunabhängig.

Geschäftspartner profitieren

Durch das IoT-System wird nicht nur das Personal entlastet – der Chiphersteller kann so auch den Wartungsbedarf früher und genauer bestimmen und planen. Jederzeit den aktuellen Betriebszustand seiner Anlagen zu kennen, stellt eine höhere Ausfallsicherheit sicher, sodass das Unternehmen produktionskritische Kennzahlen besser einhalten kann. Sogar Geschäftspartner wie die Komponentenhersteller und Anlagenbauer können von den gewonnenen Daten profitieren.

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Analog Devices GmbH
Bild: Analog Devices GmbH
Warum vorausschauende Wartung?

Warum vorausschauende Wartung?

Allein in Fabriken in den USA entstehen pro Jahr ungeplante Ausfallzeiten von 14 Millionen Stunden. Die Ursache dafür, Systemfehler, bescheren der Industrie Kosten in Milliardenhöhe. Um solche Szenarien zu verhindern,
nutzen Fabriken in der Regel einen teuren manuellen Ansatz: Experten sammeln Daten, um den Zustand der
Anlagen zu beurteilen. Auch kommen oft Sensorlösungen zum Einsatz, die jedoch nicht alle möglichen Ausfälle zuverlässig erkennen können. Mehr Potenzial versprechen Systemlösungen für die vorausschauende Wartung.

Bild: Roxon
Bild: Roxon
Online-Zustandsüberwachung für Gurtförderanlagen

Online-Zustandsüberwachung für Gurtförderanlagen

Schmersal stellt über seinen Systempartner Roxon eine vollautomatisierte Online-Zustandsüberwachung für Gurtförderanlagen vor: Der HX170 basiert auf einer optischen Zustandsüberwachung des Oberflächenprofils, wodurch alle möglichen Beschädigungen der Verbindungsstellen sowie Längsschlitze, Risse und Löcher an der Bandoberfläche erkannt werden sollen.

Bild: Fraunhofer-Institut IGD/©angkhan/stock.adobe.com
Bild: Fraunhofer-Institut IGD/©angkhan/stock.adobe.com
Risiken verringern: Fraunhofer-Software entwickelt FMEA weiter

Risiken verringern: Fraunhofer-Software entwickelt FMEA weiter

Ob autonomes Fahrzeug in der Intralogistik oder Werkzeugmaschine in der industriellen Fertigung: Fehler und Ausfälle einzelner Geräte und Komponenten sind nicht immer zu vermeiden. Deren Wahrscheinlichkeit einzuschätzen und den Aufbau technischer Systeme hinsichtlich ihrer Betriebs- und Prozesssicherheit zu verbessern, ist daher umso wichtiger. Mit proSvift entwickelten Forschende des Fraunhofer IGD ein neues Analysewerkzeug, das auf einer probabilistischen Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) basiert und intuitiv steuerbar ist. Anwender sollen so Produktionsausfälle, kritische Auswirkungen und Folgekosten reduzieren können.