Korrektive, präventive oder zustandsorientierte Instandhaltung

Warum Instandhaltung unterschiedliche Strategien braucht

 Effektive Kontrolle über Maschinen mittels intelligenter Software.
Effektive Kontrolle über Maschinen mittels intelligenter Software.Bild: ©PopTika/shutterstock.com

Warum gibt es nicht ‚die‘ richtige Instandhaltungsstrategie? Ziel ist, ein Fehlerereignis vorhersagen zu können, um die Reparatur vor Eintritt des Ereignisses und damit vor einem Maschinenausfall durchzuführen. So ist es möglich, Stillstandszeiten einer Maschine zu planen, das notwendige Werkzeug und die Ersatzteile frühzeitig zu organisieren und das Personal rechtzeitig anzuweisen. Warum aber setzt nicht jedes Unternehmen auf diese Predictive Maintenance, den Traum einer jeden Instandhaltung? Fehlerereignisse hochkomplexer technischer Systeme sind leider nicht so vorhersagbar, wie wir uns diese erhoffen. Maximal eine von zehn potenziellen Fehlerursachen kann gut bis sehr gut vorhergesagt werden. Diese ist dann auch der perfekte Kandidat für Predictive Maintenance. Alle anderen besitzen einen zu geringen Prognostizierbarkeitsgrad. Ein typisches Beispiel hierfür ist einer der häufigsten Fehlerereignisse vernetzter Systeme: der Leitungsfehler. Ursachen können etwa ein Kurzschluss, ein Bruch oder ein offener Stecker sein. Diese kündigen sich aber weder an, noch sind sie anderweitig vorhersagbar. Sie sollen jedoch ebenfalls erkannt und behoben werden. Hierfür benötigt man angepasste Instandhaltungsstrategien.

Fünf Ereignisse technischer Systeme

Bei einem Ereignis wirkt eine definierte Fehlerursache und beeinflusst das technische System in seiner normalen Funktion. Um diese besser zu verstehen, kann man die resultierenden Ereignisse grob in Kategorien mit gemeinsamen Eigenschaften einteilen:

(1) Umgebungsereignisse haben ihre Ursachen in der Umgebung um das System herum oder in der Umwelt. Es sind meist Überschreitungen von Grenzwerten physikalischer Größen, z.B. zu hohe Temperatur.

(2) Prozessereignisse sind Fehler, deren Ursachen im Produktlebenszyklus oder in seiner konkreten Umsetzung liegen. Das können fehlende Einstellungen oder Programmierungen sein, aber auch fehlende Arbeitsmittel.

(3) Fehlerereignisse werden durch Fehler im System verursacht. Hierunter werden die klassischen Fehlerursachen verstanden, wie defekte Steuergeräte oder klemmende Aktoren.

(4) Funktionsereignisse werden durch die Umsetzung einer Funktion verursacht und führen zu Funktionseinschränkungen. Beispiele: Aktivierung oder Deaktivierung von speziellen Systemfunktionen, funktionale Sicherheitsmechanismen.

(5) Kommunikationsereignisse entstehen durch Vernetzung. Diese können durch Hinweise, Warnungen, Informationen von Geräten außerhalb des Systems auftreten. Aber auch externe Zugriffe und Interventionen durch Diagnosefunktionen werden hier zugeordnet. Beispiele sind falsche Freischaltcodes, oder die Durchführung eines Updates.

Jedes Ereignis in jeder der fünf Kategorien führt zu einer Störung des normalen Funktionsablaufs. Wichtig ist dann eine schnelle und gezielte Beseitigung des Fehlers. Doch auf der einen Seite gibt es Fehlerursachen, die mit etwas Erfahrung vorauszusagen sind, z.B. der klassische Verschleiß von Teilen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Fehlerursachen, die nicht vorauszusagen sind, wie Kommunikations- oder Prozessereignisse, die in der Regel außerhalb des betrachteten Systems liegen. Somit sind unterschiedliche Instandhaltungsstrategien gefragt. Um herausfinden, welche Strategie für welches Ereignis nutzbar ist, muss man sich die einzelnen Ereignisse aber noch differenzierter ansehen.

Der Fingerabdruck technischer Ereignisse

Jedes Ereignis besitzt spezifische Merkmale und Eigenschaften. Diese können kategorisiert, gemessen und als eine Art Fingerabdruck betrachtet werden. Dieser gibt einen ersten Hinweis auf mögliche Instandhaltungsstrategien. Ähnliche Fingerabdrücke fordern dieselben Strategien. Im Folgenden werden beispielhaft einige Eigenschaften aufgeführt, wie sie etwa im Maschinenbau verwendet werden.

Kritikalität: Je höher der Wert, desto wahrscheinlicher ist das Ereignis, desto schwerwiegender sind seine Auswirkungen und desto schneller wird die betroffene Funktion im System abgebrochen.

  • Identität: Je höher der Wert, desto besser lässt sich das Ereignis entdecken und finden.
  • Reparabilität: Je höher der Wert, desto leichter lässt sich ein Ereignis beheben.
  • Prädiktabilität: Je höher der Wert, desto besser lässt sich ein Ereignis voraussagen.
  • Präventabilität: Je höher der Wert, desto besser lässt sich ein Ereignis vermeiden.
  • Intensität: Ist der Durchschnitt aller bisherigen Merkmale und erlaubt die Gewichtung im Vergleich zu anderen Ereignissen.
  • Vitalität: gibt an, in welchem Lebensabschnitt des Systems ein Ereignis eintreten kann.
 Beispiel des Event-Fingerprint-Masking für ein beispielhaftes Ereignis.
Beispiel des Event-Fingerprint-Masking für ein beispielhaftes Ereignis.—Bild: Synostik GmbH

Die bekanntesten Instandhaltungsstrategien

Eine Instandhaltungsstrategie beschreibt die Vorgehensweise, wie Produktivität und Lebenserwartung einer Anlage aufrechterhalten oder sogar erhöht werden. Zu den bekanntesten zählen:

  • Ausfallende Instandhaltung oder Reactive Maintenance (korrektiv), die ohne Aufschub nach der Fehlererkennung ausgeführt wird. Alle Ereignisse, die sich gut identifizieren und lokalisieren lassen, sind dafür geeignet. Vorteile: maximale Ausnutzung der Lebensdauer der Komponenten, geringer Planungsaufwand, einfache Umsetzbarkeit. Nachteile: ungeplante, sofort durchzuführende Tätigkeiten, Risiko längerer Stillstandszeiten und geringere Anlagenverfügbarkeit.
  • Aufschiebende Instandhaltung oder Active Maintenance (korrektiv), die nach vorgegebenen Regeln zurückgestellt wird. Eine Nebenform der ausfallenden Instandhaltung mit der Besonderheit, dass der Zeitpunkt der Reparatur geplant wird. Alle Fehlerereignisse, die gut identifiziert und lokalisiert werden können, sind geeignet. Sie hat dieselben Vor- und Nachteile wie die ausfallende Instandhaltung mit dem weiteren Nachteil zusätzlicher Planung und Risiko von Folgeschäden.
  • Vorausbestimmende Instandhaltung oder Preventive Maintenance (präventiv), die nach einem festgelegten Zeitplan oder nach einer festgelegten Zahl von Nutzungseinheiten durchgeführt wird, jedoch ohne vorherige Zustandsermittlung. Eine klassische Wartung. Alle Ereignisse, die wenig Kosten verursachen und bei denen die Wartung im Verhältnis zu einer möglichen Reparatur nicht zu lange dauert, sind geeignet. Vorteile: Planbarkeit, Kenntnisse der Abläufe und der benötigten Ersatzteile, hohe Materialverfügbarkeit, hohe Arbeitsqualität, exakte Kalkulierbarkeit, Reduktion ungeplanter Ausfälle und erhöhte Lebensdauer der Komponenten. Nachteile: höhere Kosten und zusätzliche Arbeitsstunden für Planung und Durchführung der Wartung sowie fehlende Kenntnis über das reale Ausfallverhalten der Anlage.
  • Voraussagende Instandhaltung oder Predictive Maintenance (präventiv), die auf Basis einer Vorhersage durchgeführt wird. Grundlagen sind bekannte Eigenschaften oder Erfahrungen aus Analysen der Vergangenheit oder das Eintreten von wichtigen Parametern. Mit dieser Strategie wird ein zukünftiges Fehlverhalten eines Systems vermieden. Die Komponenten eines potenziellen Fehlerereignisses werden ausgetauscht oder die Auswirkungen der Fehlerursachen werden reduziert, bevor das Ereignis eintritt. Vorteile: Planbarkeit, Bekanntheit der Abläufe und benötigten Ersatzteile, hohe Materialverfügbarkeit, hohe Arbeitsqualität, exakte Kalkulierbarkeit, erhöhte Anlagenverfügbarkeit, weniger ungeplante Ausfälle und erhöhte Lebensdauer der Komponenten. Nachteile: Notwendigkeiten von ausreichendem Planungsvorlauf, von intelligenten Algorithmen, von ausreichend vorhandenen Datensätzen zur Mustererkennung. Zudem höherer Aufwand und höhere Kosten durch Planung und Durchführung vermehrter Wartungsarbeiten, hohe Anforderungen an Personalqualifikation und notwendige Kenntnis über das Ausfallverhalten der Anlage. Ferner kann diese Strategie erst weit nach Produktionsbeginn eingesetzt werden, da benötigte Erfahrungen erst gesammelt werden müssen.
  • Zustandsbestimmende Instandhaltung oder Condition Based Maintenance (zustandsorientiert). Mögliche Maßnahmen resultieren aus Beurteilungen des physischen Zustands und ggf. weiterer Analysen. Sie ist eine vorhersagende, wissensbasierte Strategie. Alle Ereignisse mit einer gewissen Vorhersagbarkeit und guter Lokalisierung sind geeignet. Vorteile und Nachteile sind identisch zur voraussagenden Instandhaltung.
  • Verdrängende Instandhaltung ignoriert ein Ereignis. Sie ist keine echte Instandhaltung, sondern eher eine Lösung für den Umgang mit speziellen Fehlerereignissen. Damit wird ein bekanntes oder unbekanntes Fehlverhalten eines Systems nicht behoben und ist nur sinnvoll bei Ereignissen mit keiner oder geringer Funktionsauswirkung. Vorteil: keine Kosten. Nachteilig ist jedoch, dass mindestens Funktionseinschränkungen der Anlage zu erwarten sind.

Die passende Instandhaltungsstrategie für jedes Ereignis

Die effektivste Instandhaltung wird erreicht, wenn die angewendete Strategie zum anliegenden Ereignis passt. Wie kann die Zuordnung gelingen? Eine einfache Methodik ist das Event-Fingerprint-Masking. Hierbei werden die Eigenschaften der Strategien mit den Fingerabdrücken der Ereignisse verglichen. Die voraussagende Instandhaltung zum Beispiel ist zunächst prinzipiell besonders geeignet für Ereignisse mit einer hohen Prädiktabilität. Da sie aber auch gravierende – insbesondere wirtschaftliche – Nachteile hat, sollten zusätzliche spezifische Merkmale betrachtet werden. Bei gut identifizierbaren oder leicht reparierbaren Ereignissen kann man vielleicht besser einfach abwarten, bis das Ereignis eintritt, und sich dann kümmern. Bei leicht vermeidbaren Ereignissen ist es wahrscheinlich auch besser, das Eintreten des Ereignisses zu vermeiden, anstatt frühzeitig z.B. komplette Komponenten auszutauschen. Weist der Fingerabdruck des Ereignisses neben der hohen Prädiktabilität aber eine niedrige Präventabilität, eine niedrige Identität und eine niedrige Reparabilität auf, so kann die voraussagende Instandhaltung eine gute Wahl sein.

Durch diesen Ansatz entstehen für jede Strategie spezielle Maskierungen, die für die Analyse und zur Strategieentscheidung jedes einzelnen Ereignisses nutzbar sind. Eine Instandhaltungsstrategie ist dann für ein Ereignis gut anwendbar, wenn der typische Fingerabdruck des Ereignisses in die Maske der Instandhaltungsstrategie passt. Grafik 1 zeigt als Beispiel die Masken der Instandhaltungsstrategien, zusätzlich einen beispielhaften Fingerabdruck eines Ereignisses und sein Passen in die jeweiligen Masken.Es ist zu erkennen, dass das gewählte Ereignis sehr gut sowohl in die Maske der ausfallenden als auch in die der verdrängenden Instandhaltung passt. Diese Methodik ist für jedes einzelne Ereignis anzuwenden. Anschließend kann festgelegt werden, welche Instandhaltungsstrategien für welche Ereignisse umzusetzen sind.


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