Produktservice im Maschinen- und Datenraum

Bild: Burckhardt Compression

Die Firmengeschichte reicht bis ins Jahr 1844 zurück, als Franz Burckhardt in Basel eine mechanische Werkstätte gründete. Schon 1883 entstand der erste Kolbenkompressor, in den 1920er Jahren entstanden Kompressoren für die kurz zuvor entwickelte Ammoniaksynthese zur Erzeugung von Kunstdünger. Heute beschäftigt das Unternehmen etwa 2.700 Mitarbeiter am Stammsitz in Winterthur und in Tochtergesellschaften und Niederlassungen in mehr als 80 Ländern. Sie erwirtschaften einen Jahresumsatz von über 650 Mio. Schweizer Franken. Mit seinen Marken Burckhardt Compression, Prognost, SAMR Métal Rouge und Shenyang Yuanda ist das Unternehmen ein weltweit agierender Hersteller mit einem weitreichenden Angebot an Kolbenkompressortechnologien und -services. Die kundenspezifisch ausgelegten und modularisierten Kompressorsysteme werden in den Bereichen Chemie und Petrochemie, Gastransport und -lagerung, Wasserstoff-Mobilität und -Energie, im Industriegas-Sektor sowie in der Raffinerie, Gasförderung und -verarbeitung eingesetzt.

Bis zu 60 Jahre Service

Dementsprechend wichtig ist der After Sales Service, wie Helmut Draxler, Chief Digital and Information Officer (CDIO) bei Burckhardt Compression, erläutert: „Unsere Kompressoren haben eine Lebensdauer von 40 bis 60 Jahren, das macht die Kundenbeziehung und den Service zu entscheidenden Faktoren für den Unternehmenserfolg. Dabei wandeln sich die Herausforderungen im Service: Erfahrene Mitarbeiter gehen in Rente, die Geräte werden immer komplexer. Kunden führen Wartungsarbeiten selbst durch oder beauftragen Drittfirmen. Und nicht zuletzt hat uns Corona die Nachteile eines Servicemodells gezeigt, das darauf basiert, dass einer unserer Techniker zum Kunden reist.“

IT-Systeme für die Techniker

Digitale Technologien bieten hier neue Möglichkeiten: Unter dem Namen ‚Up! Solutions‘ bietet Burckhardt Compression digitale Systeme, mit denen sich die Kompressoren in Echtzeit überwachen und aus der Ferne in Zusammenarbeit mit dem Kunden warten lassen. Die Anlagen werden mit Sensoren versehen, die ständig Daten wie Schwingungen oder Temperatur sammeln. Diese Daten werden dann ausgewertet und beispielsweise zur Erkennung von Anomalien oder zur Terminierung von Servicearbeiten genutzt. „Der Kampf um Talente ist auch im Servicebereich Realität“, sagt Draxler. „Wir müssen die eigenen Leute ertüchtigen, damit sie effizienter arbeiten können und neue Mitarbeiter möglichst schnell an Bord holen können. Zudem müssen wir Möglichkeiten entwickeln, die Servicetechniker des Kunden so zu unterstützen, dass sie mit Hilfe unserer Leute Arbeiten durchführen können. Dafür haben wir ein Werkzeug gesucht und es war uns schnell klar, dass es dabei um ein AR-System gehen muss.“

Wingman-Konzept für Service

Bei PTC wurden die Burckhardt-Experten fündig: Das Unternehmen hat mit der Maschinenanbindungssoftware Kepware, der IIoT-Plattform ThingWorx und dem AR-System Vuforia die passenden Werkzeuge im Programm, mit denen sich das gewünschte System aufbauen lässt. „Unser Ziel ist ein ‚Wingman‘-Konzept“, sagt Draxler, „bei dem erfahrene Techniker den Kollegen vor Ort beiseitestehen, ihnen Best-Practices zeigen und sie beraten können. Das System muss alle Informationen kontextbezogen zur Verfügung stellen – heute hat niemand mehr Zeit, tausend Seiten dicke Ersatzteilkataloge oder Dokumentationen zu wälzen.“

Software lernt dazu

Das Augmented-Reality-System kann sogar Abläufe ‚lernen‘ und weitergeben. Dazu beobachtet das System einen Techniker bei einem Ablauf, stellt Anweisungen für das Anlernen weniger erfahrener Kollegen zusammen und überwacht die Lernphase. Das System erkennt etwaige Abweichungen vom Normprozess und liefert Hinweise dazu. Bei dieser Entwicklung arbeitet PTC eng mit Burckhardt Compression zusammen, die als Early Adopter wertvollen Input aus der Praxis liefern. „Schon in der ersten Phase sehen wir Effizienzgewinne“, berichtet Draxler, „da sich der Techniker gut auf die bevorstehenden Reparaturen oder Wartungsarbeiten vorbereiten und nötige Ersatzteile beschaffen kann.“

HMI der Zukunft?

Doch die Ambitionen reichen weiter als bis zum einheitlichen Frontend für den Wissenstransfer: Draxler sieht die Zukunft im industriellen Metaverse. Also in der 3D-Darstellung einer realen Umgebung, in die sich Personen ortsunabhängig per Datenbrille zuschalten können. „So vermischen sich Realität und digitale Daten in einem virtuellen Zusammenarbeitsraum“, beschreibt Draxler, „auch wenn einer der beiden hier in Winterthur sitzt und der andere vor Ort.“

www.ptc.com


  • Digitale Remote-Lösung der neuesten Generation

    Als Digitalisierungs- und Automatisierungsanbieter will die Firma Quat2ro für frischen Wind in der Schüttgutbranche sorgen. Ein aktuelles Beispiel ist der Online-Fernzugriff auf…


  • Maschinenoptimierung per MES

    20 Millionen Kugellager verlassen Jahr für Jahr die Produktion bei Markes im nordrhein-westfälischen Halver. Um die Maschinen möglichst optimal auszulasten, setzt das…