Gemeinsam mit den Spezialisten für industrielle Datenerfassung und -auswertung der Firma Core Sensing aus Darmstadt und den Wissenschaftlern des Fachgebietes für Mess- und Sensortechnik (MuST) der TU Darmstadt soll auf Basis der pneumatischen RotoClamp-Klemmsysteme von Hema ein neuartiges, integriertes Datenerfassungssystem entwickelt werden, das Betriebsdaten in Echtzeit erfasst, interpretiert und Nutzerempfehlungen oder Betriebswarnungen ausgibt. Zudem wird eine drahtlose Übertragung der Daten und der autarke Betrieb des Sensormoduls angestrebt.
„Mit dem Forschungsprojekt RotoGuard beschreiten wir neue Wege auf diesem Sektor des Maschinenschutzes und wollen eine praxistaugliche Implementierung eines durchgängigen KI-basierten Condition-Monitoring-Konzeptes demonstrieren“, umreißt Dr. Lukas Heidrich, Leiter Technik und Entwicklung bei Hema und Projektleiter, den Kern des Forschungsprojektes.
Starke Klemmung für sichere Fertigung
Ausgangsbasis für das Forschungsvorhaben „RotoGuard – Zustandsüberwachung für pneumatisch aktuierte Sicherheitsklemmelemente im Werkzeugmaschinenbau“ sind die bewährten RotoClamp-Klemmelemente von Hema. Sie eignen sich für rotatorische Positionsklemmungen in Achsen, Tischen und Schwenkköpfen von Werkzeugmaschinen. Da das Klemmsystem nach dem Fail-Safe-Prinzip arbeitet, klemmt es Achsen auch bei einem Energieausfall schnell und mit großer Kraft. RotoClamp zeichnet sich durch hohe Klemmmomente bei relativ niedrigen Betriebsdrücken aus. Möglich wird dies durch das pneumatische Funktionsprinzip des Klemmsystems, das auf einem verspannten Federspeicher beruht.
Forschungsprojekt – anspruchsvolle Entwicklungsaufgabe
Für das RotoGuard-Projekt stellen das Funktionsprinzip und die kompakte Bauform der Klemmsysteme sowie der meist sehr anspruchsvolle Einbau in den hochpräzisen Funktionsbaugruppen moderner Werkzeugmaschinen eine Herausforderung dar. Die Lösung dieser Aufgaben eröffnet aber ganz neue Perspektiven für Maschinenschutzeinrichtungen: Neben der Steigerung der Funktionssicherheit und der Vermeidung von Ausfallzeiten bieten sich neuartige Optionen für digitale Mehrwertfunktionen und eine Aufwertung der Komponenten zu einer Industrie-4.0-Lösung.
Damit entstehen aus der Kombination der Kernkompetenzen der Projektpartner in den Bereichen Systemauslegung, Präzisionsfertigung, Sensor und Sensorsignalverarbeitung perspektivisch vollkommen neue Geschäftsmodelle im Bereich Digital Services und Predictive Maintenance.
Zustandsüberwachung zahlt sich aus
Die wesentlichen Aufgaben von Klemmsystemen in Werkzeugmaschinen erstrecken sich meist auf zwei für Funktion und Betrieb der Maschinen wesentliche Aspekte. Zum einen leisten Klemmsysteme häufig wesentliche Anteile zur erreichbaren Bearbeitungspräzision, denn angefahrene Bearbeitungspositionen müssen auch bei hohen dynamischen Bearbeitungskräften sehr genau erhalten bleiben. Zum anderen stellen Klemmsysteme in Bearbeitungsmaschinen meist ein unentbehrliches Element der funktionalen Sicherheit dar. Fehler und Ausfälle dieser Komponenten haben also mit hoher Wahrscheinlichkeit schwere Folgen.
Die intensiven Kontrollen der Klemmsysteme im Rahmen von Qualitätssicherung und Wartung können aber immer nur den Zustand während des konkreten Prüfzeitpunktes abbilden. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Großteil der möglichen Fehlerbilder nicht plötzlich auftritt, sondern sich durch Veränderung messbarer Systemgrößen über einen längeren Zeitraum ankündigt. Das Projekt RotoGuard setzt genau an dieser Stelle an.
Die Funktion und die Wechselwirkungen des Sicherheitsklemmsystems sollen zukünftig durch eine integrierte intelligente Sensoreinheit überwacht werden. In Echtzeit gewonnene Messwerte und daraus abgeleitete Statusinformationen und Handlungsempfehlungen stehen dem Nutzer jederzeit zur Verfügung. Der erhebliche Mehrwert eines solchen Systems zur Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) beschränkt sich dabei keinesfalls allein auf die Vermeidung von Havariefällen. Es erschließt auch Möglichkeiten, das umfangreiche Wissen über das Funktionsverhalten der Klemmsysteme an den Kunden weiterzugeben. So könnten in der Datenverarbeitung implementierte Algorithmen die Optimierung des dynamischen Zustellverhaltens oder die effektivere Nutzung der pneumatischen Klemmkrafterhöhung (Boost-Funktion) ermöglichen.
Essenzieller Schritt: Miniaturisierung der Sensorik
Auf dieses Gebiet hat sich Core Sensing aus Darmstadt spezialisiert und entwickelt miniaturisierte Sensoreinheiten zur Integration in mechanische Komponenten, um diese und die nachgelagerten Prozesse zu überwachen und Fehler frühzeitig zu erkennen. Dazu wird die benötigte Messkette inkl. Datenauswertung und -interpretation integriert und ins robuste Bauteilinnere gebracht.
Die bestehenden Lösungen sind jedoch bislang nur für rotierende mechanische Bauteile wie Antriebswellen ausgelegt und müssen für Klemmsysteme erheblich angepasst und deutlich miniaturisiert werden. Zudem erweitert sich die Zahl der zu betrachtenden physikalischen Messgrößen. Auch die Verarbeitung und Interpretation der gewonnenen Rohdaten bereits in der Komponente stellt eine technologische Herausforderung dar. Als wichtige Voraussetzung für eine spätere Umsetzung im industriellen Maßstab soll zudem in der finalen RotoGuard-Version bewusst auf Messverfahren verzichtet werden, die später eine aufwendige Implementierung und Kalibrierung erfordern.
Als Schnittstellen sind sowohl ein Gateway für die direkte Verbindung zur Prozesssteuerung als auch eine Cloud-Anbindung für die zentrale Überwachung des Maschinenparks vorgesehen.
Wichtige Zustandsgrößen erstmals untersuchen
Kern des gemeinsamen Projektes wird es sein, für die bislang rein mechanische Komponente der Sicherheitsklemmsysteme eine kompakte und weitgehend autarke Sensoreinheit zu entwickeln, um relevante Messgrößen zum Funktionsverhalten in Echtzeit aufnehmen und interpretieren zu können. Die Projektpartner wollen den Verbau der elektronischen Komponenten nebst Sensorik im Klemmsystem weitgehend ohne Änderung der äußeren Bauteilkontur ermöglichen, sodass ein Serieneinsatz ohne Änderungen der Maschinenkonstruktionen möglich wird. Zudem muss eine sichere Übertragung der aufgenommenen Daten und die Energieversorgung der Sensoreinheit gewährleistet werden.
Im Rahmen des Verbundprojektes werden dazu erstmals die primären Messgrößen wie Klemmmoment und -kraft unter Kompensation von Störgrößen hochgenau mit Messaufnehmern erfasst, digitalisiert und in Relation mit den aktuellen Zuständen des Klemmsystems gebracht. Im nächsten Schritt werden diese mit den sekundären Messgrößen Druck, Volumenstrom und Temperatur in Verbindung verglichen, um so deren Aussagekraft bzgl. des Systemverhaltens zu evaluieren.
Ziel ist eine Reduktion der benötigten Messgrößen, um den Systemzustand mit ausreichender Präzision für die weitere Verarbeitung zu erfassen. Ein praxistaugliches Condition Monitoring benötigt darüber hinaus die automatisierte Verarbeitung und Interpretation der Messdaten zu konkreten, nutzerrelevanten Informationen und standardisierte Schnittstellen. So können Funktionsprobleme oder -einschränkungen künftig bereits in Frühphasen ihrer Entstehung festgestellt und Abhilfemaßnahmen geplant und eingeleitet werden.
www.hema-group.com
klemmsysteme/rotoclamp
core-sensing.de
www.etit.tu-darmstadt.de
index.de.jsp
www.innovationsfoerderung-hessen.de