Vorausschauende Instandhaltung

Dezentrale IoT-Anbindung nachgerüstet

Bild: Eaton Germany GmbH

Biogas ist als erneuerbarer Energieträger ein Multitalent. Es wird für die Verstromung, die Wärmegewinnung und als Kraftstoff im Mobilitätsbereich eingesetzt. Das Gas wird aus unterschiedlichen landwirtschaftlichen Roh- und Reststoffen gewonnen und hat, nach Wäsche und Aufbereitung, als Biomethan die gleiche chemische Zusammensetzung wie Erdgas. So kann es, technisch gereinigt, ins bestehende europäische Erdgasnetz eingespeist werden. Dazu werden Kompressoren eingesetzt, die das Biomethan auf bis zu 90 bar verdichten. Unser Partner ist ein führender Hersteller von Kolbenverdichtern, Kolben- und Membrankompressoren sowie Kompressorsystemen für alle Prozessgase. Rund 60 Verdichter hat das Unternehmen allein in deutschen Biomethaneinspeiseanlagen im Betrieb. Diese sind überall in Deutschland zu finden, vor allem – und das liegt in der Natur der Dinge – in ländlichen Regionen. Der Service an diesen Anlagen ist daher aufwendig, dennoch bietet unser Partner zu seinen Kompressoranlagen auch weitreichende Service-Konzepte mit individuellen Wartungsverträgen an. Um diesen Service zu ermöglichen, ist das Unternehmen bestrebt, möglichst viele Service-Aufgaben zu automatisieren und so Vor-Ort-Termine zu reduzieren. Deshalb hat der Kompressor-Spezialist die Firma Milde Hydraulik damit beauftragt, ein vollautomatisches Leckage-Überwachungssystem für die Kompressoranlagen zu realisieren. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Verdichtung selbst erfolgt bei den Kompressoren, also ohne Kontaminierung mit Öl im Zylinderraum, so dass die Gasbeschaffenheit nach DVGW-G 260 erfüllt ist. Dennoch dringt in Verdichtersystemen Hydrauliköl nach außen. Dieses Öl wird aufgefangen und durch eine Leckagepumpe wieder zurück in den Kreislauf befördert. Die Leckagemenge ist ein Indiz für den Zustand des gesamten Hydraulikaggregats – tritt viel Öl aus, ist das ein Zeichen dafür, dass eine Wartung fällig ist. Milde Hydraulik sollten den gesamten Prozess automatisieren und den Service-Technikern über ein Portal Informationen zur Leckagemenge zur Verfügung stellen. Eine Projektanforderung war, das gesamte System EX-geschützt auszuführen, da die Leckagepumpen direkt in oder an den Biomethaneinspeiseanlagen platziert sind.

Wissen zusammengeführt

Milde Hydraulik mit Sitz in Wurzen bei Leipzig entwickelt und fertigt Hydraulikaggregate und -anlagen für sehr unterschiedliche Anwendungen. Das Unternehmen ist als Systemintegrator und Authorized Distributor Teil des Solution-Partner-Netzwerks von Eaton. Damit konnte Milde Hydraulik auf die für dieses Projekt erforderliche technische“ Expertise aus verschiedenen Bereichen zugreifen: Während Milde selbst das hydraulische Knowhow einbrachte, half das Eaton MOEM Solution Center bei der Entwicklung des Maschinenkonzepts und bei der Programmierung der Lösung. iSATT ist auf Steuerungs- und Automatisierungstechnik spezialisiert, entwickelte das Automatisierungskonzept und integrierte eine Lösung zur Anbindung des Leckage-Überwachungssystems an das Internet der Dinge. Für den EX-Schutz war die zu Eaton gehörende Firma Cooper Crouse-Hinds zuständig, die ein Portfolio für den Einsatz in solchen Umgebungen führt. Gemeinsam entwickelten die Firmen das Leckage-Überwachungssystem als Applikation, die sich in die Kompressor-Lösungen integrieren lassen.

Durch das Bullauge an der Anlage lasssen sich die Geräte ablesen. – Bild: Eaton Germany GmbH

Kostengünstige IoT-Lösung

Den Kern der Automatisierungslösung bildet das Steuerrelais EasyE4: „Die Kosten für Schaltschrank plus Leckage-Aggregat liegen gerade einmal bei einem mittleren vierstelligen Bereich – da kann die Automatisierungstechnik nicht mehrere tausend Euro kosten“, sagt Peter Hennes, Geschäftsführer bei iSATT. Für solche preisgünstigen Anwendungen ist EasyE4 konzipiert: Sie kostet deutlich weniger als eine SPS, bietet aber dennoch genug Leistung für diese Applikation. Mit dem Steuerrelais lassen sich einfache Regelungsaufgaben genauso wie umfangreichere Konfigurationen realisieren. Als Schnittstelle zum IIoT kommt das iSATT2Edge-Gateway zum Einsatz. Es erfasst die Daten der Leckagepumpe in einer Datenbank, aggregiert und analysiert sie und stellt die gefilterten Informationen zur Verfügung. Gateway und easyE4 sind dabei über Modbus TCP vernetzt. „Aktuell kann der Service-Techniker die Daten direkt über das Gateway einsehen, es ist aber geplant, sie auch über eine Cloudplattform abrufen zu können“, sagt Hennes. Die Anbindung an die Cloud kann über einen internetfähigen Zugang, über Modem oder kabellos via LoRaWAN erfolgen. Die Applikation wertet verschiedene Werte aus dem Betrieb der Leckagepumpe aus: Zum Beispiel lassen sich über die Frequenz des Ein-/Ausschaltverhaltens Rückschlüsse auf das Gesamtaggregat ziehen – schaltet die Pumpe sehr häufig, ist die Leckage sehr hoch. Darüber hinaus ermöglicht die Analyse der Laufdauer der Pumpe Hinweise auf den Zustand der Pumpe selbst, etwa ob ihre Flügel verschlissen sind. Über diese Werte erhält der Service-Techniker also Hinweise, wann eine Wartung erforderlich ist. Insgesamt verschmelzt die Lösung die Steuerungs- und Datenebene sehr kostengünstig, wie Peter Hennes beziffert: „Bei den Gesamtkosten für die beiden Hardware-Komponenten liegen wir bei wenigen hundert Euro.“ Vervollständigt wird die Applikation durch weitere Komponenten von Eaton und Crouse-Hinds: So wird die Pumpe über einen Motorschutzschalter PKZM im Zusammenspiel mit einem Leistungsschütz DILM ein- und ausgeschaltet. Das Steuerrelais ist in einem EX-geschützten Aluminiumdruckguss-Gehäuse von Crouse-Hinds untergebracht, wobei ein gasdichtes Bullauge den Blick auf das Display des Steuerrelais erlaubt. Die benötigten Befehls- und Meldegeräte wurden als EX-geschützte Komponenten ebenfalls von Crouse-Hinds geliefert.

Basis für die eventbasierte Wartung

Im Ergebnis erhält der Auftraggeber eine Lösung aus einer Hand, mit der er den Aufwand für die Wartung an den Leckagepumpen deutlich reduzieren kann. Sie ermöglicht eine eventbasierte Wartung und infolgedessen Kosteneinsparungen im Service. „Viele Anlagenbauer und -betreiber haben die Vorstellung, dass eine IIoT-Anbindung zu teuer für kleinere Anlagen ist. Wir haben gezeigt, dem ist nicht so“, sagt Hennes. „Wir haben eine sehr preiswerte und effiziente IIoT-Lösung realisiert, mit der sich auch kleine Anlagen effizient vernetzen lassen.“

www.eaton.com


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