Retrofit für Bestandsanlagen

Altsysteme Industrie 4.0-tauglich machen

In der Regel beginnen Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Produktion nicht auf der grünen Wiese. Viel eher geht es um die Umrüstung und Einbindung verschiedenster Legacy-Systeme in digitalisierte Workflows. Der Schweizer Data Science-Spezialist LeanBI hat sechs exemplarische Anwendungsszenarien und die positiven Effekte von Retrofit identifiziert.
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Wenn es um die Digitalisierung der Produktion geht, ist die Einbindung von Altsystemen eine Herausforderung. Denn diesen fehlen oftmals zwei wichtige Voraussetzungen: die Sensorik zur Erfassung von Daten und die Datenschnittstellen zu deren Weiterleitung. Ohne diese Fähigkeiten aber sind die Optimierung von Planung und Umrüstzeiten, die Steigerung von Performance und Verfügbarkeit, die Verbesserung von Qualitäts-Tracking und -Tracing sowie die Umsetzung von Predictive Maintenance nicht möglich. Beim Retrofitting geht es also darum, Altsysteme mit Sensor- und Steuerungstechnik zu bestücken – und das im laufenden Betrieb, ohne Break oder Downtime. Hinzu kommt, dass es sich oftmals um spezielle Einzelfälle handelt – ‚One size fits all‘ ist bei Retrofit praktisch ausgeschlossen. Die sensorisch-kommunikative Nachrüstung erfordert also jeweils eine anwendungsbezogene Bestandsaufnahme und Machbarkeitsanalyse. Die möglichen Anwendungsszenarien für digitalen Retrofit sind dabei breit gefächert. LeanBI, Spezialist für Data-Science-Anwendungen, beschreibt sechs Szenarien für den praktischen Einsatz und die potenziellen positiven Effekte.

  • Intralogistik: Der Online-Handel führt zu einer Steigerung der Versandvolumen und damit zu einer hohen Auslastung der Logistikanlagen, die mit diesem Wachstum auch aufgrund ihrer (teil-)analogen Struktur oft nicht Schritt halten können. Zusätzliche Gebäude oder Anlagenkomplexe sind jedoch nicht so rasch realisierbar wie ein Retrofit bestehender Anlagen. Dies ist zudem kostengünstiger und ressourcenschonender.
  • Montagelinien: Für viele Produktanbieter, wie Automobilzulieferer oder Fahrradhersteller, wird das Einhalten von Lieferzeiten durch die hohe Nachfrage bei gleichzeitig wachsender Variantenvielfalt zur Herausforderung. Bei kleinen Ausfällen in der Produktionskette steht die komplette Anlage, Liefertermine können nicht eingehalten werden und sogar Strafen drohen. Die Erkennung möglicher Ausfälle durch Predictive Maintenance, wird durch Retrofitting ermöglicht.
  • Verpackungsindustrie: Ähnliches gilt für die Verpackungsindustrie, bei der viele Maschinen seriell geschaltet sind. Steht eine Maschine, steht die ganze Linie. Mit Predictive Maintenance können sowohl Störungen als auch geplante Eingriffe reduziert werden. Zusätzlich ermöglicht der Retrofit den Einsatz von Sensorik zur laufenden automatisierten Überprüfung der Verpackungsqualität unterschiedlicher Produkte, und reduziert somit Ausschussraten.
  • Metallproduktion: Bei der Herstellung von Metallprodukten, wie beispielsweise Röhren, Komponenten oder Karosserieteilen, ist es wichtig, Qualitätsschwankungen im Prozess frühzeitig zu erkennen. Je mehr Online-Sensorik eingesetzt wird, desto reaktiver kann die Prozesskontrolle gestaltet werden. Zudem ist dadurch die durchgängige Nachverfolgbarkeit über den gesamten Prozess gegeben. Auch hier hilft die Kombination von dezentraler Datenaufnahme und zentraler Datenanalyse bei der Ausschussreduktion.
  • Oberflächenbearbeitung: Durch den Einsatz zusätzlicher Sensorik und kombinierter Analytik können Verschleißzeiten bei Bearbeitungswerkzeugen besser prognostiziert werden. Das optimiert die Abläufe gleich mehrfach: Hochbeanspruchte Komponenten bei der Oberflächenbehandlung können länger eingesetzt werden und der Materialverbrauch wird ebenso reduziert wie die Downtime-Zeiten.
  • Elektronikproduktion: Durch Retrofit können hochkomplexe, KI-unterstütze Prüfmethoden für die frühzeitige Erkennung von Komponentenausfällen im Produktionsprozess eingesetzt und die Produktivitätsraten dadurch gesteigert werden. Sie helfen auch dabei, seltene Spezialprobleme besser zu verstehen und beheben zu lernen.

Digitaler Retrofit sei eine wichtige Voraussetzung und ein Wegbereiter für die Industrie 4.0, erklärt Marc Tesch, CEO von LeanBI. „Ohne diese nachhaltige Modernisierungs-Technologie wären viele wertvolle und teilweise unverzichtbare Legacy-Systeme, Produktionsstätten und Liegenschaften für die digitale Zukunft verloren, samt den damit verbundenen immensen Wertverlusten und dem Ressourcen-Raubbau für teure, zeitraubende Neu-Installationen.“

mst/LeanBI

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