Flexco Europe: Interview zu den Ausstellungsschwerpunkten auf der Logimat

„Anlagen verdienen während der Wartung kein Geld“

Ausgelöst durch den wachsenden E-Commerce müssen Bandförderanlagen immer mehr leisten, gleichzeitig steigen die Sicherheitsanforderungen. Der Wettbewerbsdruck bei den Versandhändlern und den KEP- (Kurier-, Express- und Paket-) Diensten nimmt damit enorm zu. Strategic Account Manager Tobias Haardt und Produkt Manager Harry Schiminski von Flexco Europe kennen die Herausforderungen ihrer Kunden und präsentierten auf der Logimat effiziente Lösungen.
Mit den RCTP können keine Umschläge oder Polytaschen in den Förderer fallen.
Mit den RCTP können keine Umschläge oder Polytaschen in den Förderer fallen.Bild: Flexco Europe GmbH

Deutschland hat die COVID-19-Pandemie überstanden. Wie waren die Erfahrungen von Flexco Europe in den vergangenen drei Jahren?

Tobias Haardt: Überraschend positiv. Mit unserem sehr breiten Portfolio an Verbindern, Übergangsplatten und Zubehör konnten wir für jede Art von Förderbändern Lösungen anbieten. Damit sind wir sehr gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Natürlich betreuen wir auch Branchen, in denen die Aufträge stagnierten oder leicht zurückgegangen sind. Dazu gehören etwa das Gastgewerbe und Wäschereien. Im E-Commerce haben wir dagegen einen großen Boom erlebt, der die anderen Branchen deutlich überflügeln konnte. Wir steigerten in den drei Corona-Jahren unseren Umsatz und erweiterten die Belegschaft.

Hat sich das Fördergut in dieser Zeit geändert?

Tobias Haardt: Definitiv. Die Menschen kauften während der Pandemie viel mehr über Online-Portale. Das hat sich bis heute kaum verändert. Im E-Commerce und der KEP-Branche ist damit nicht nur das Volumen extrem angestiegen, auch die Dimensionen haben sich massiv verändert. Teilweise waren die Maße der Waren nicht mehr normiert. Verschickt wurde nahezu alles – von der Plastiktüte mit ein paar Gramm und 50 Millimetern Kantenlänge bis zur Hantelbank mit 200-Kilogramm-Gewichten und zwei Metern Länge. So unterschiedlich die Produkte waren, sie liefen alle über den gleichen Förderer. Das barg natürlich Herausforderungen, da die Anlagen nicht für alle Waren ausgelegt waren. Zudem befand sich das Fördergut nicht immer in stabilen Kartons, sondern oft in weichen Poly-Bags oder in unförmigen Papiertaschen. Es kam häufig vor, dass die Verpackungen aufgrund ihres Gewichts in die Übergänge der Förderbänder eingezogen wurden. Das führte zum Paketstau und zu Sendungsverspätungen.

Harry Schiminski: Weil das Volumen zunahm und damit auch die Geschwindigkeit, war es wichtig, Störungen möglichst schnell zu beseitigen und im Idealfall zu verhindern. Um ein Band zu reparieren oder zu wechseln, dauerte dies mit herkömmlichen Methoden zwischen vier und acht Stunden. Mit unseren Lösungen für das fachgerechte Vorbereiten und Verbinden von thermoplastischen Antriebsriemen mit Zugträgern schaffen das unsere Kunden innerhalb von einer Stunde – ab Schadensmeldung bis zum Neustart. Das ist ein enormer Vorteil: Steht bei einem großen Logistikzentrum das Band für eine Stunde still, bewegen sich die Kosten im mittleren sechsstelligen Bereich. Damit können Sie die Einsparungen ausrechnen.

Mussten Sie Ihre Lösungen an die gestiegenen Anforderungen anpassen?

Tobias Haardt: Meistens nicht. Mit unseren Standardlösungen konnten wir 95 Prozent aller Kundenanforderungen erfüllen. Bei unseren Transferlösungen etwa mussten wir bei einigen Anlagen die Halterungen verlängern oder längere Bleche anbringen, um sie an die Konstruktion stabil anbinden zu können. Von diesen oft ganz unterschiedlichen Einsätzen haben wir neue Einsatzgebiete und Möglichkeiten mit unseren Standardlösungen für uns entdeckt. Ein Beispiel: Manche Kunden hatten Probleme, weil sich Labels von den Produkten gelöst und auf dem Transportband festgeklebt hatten. Diese wurden fälschlicherweise von Scannern gelesen, woraufhin das Band stoppte. Wir haben einfach einen Hartmetallabstreifer genommen, um die Labels oder auch andere Verschmutzungen zu entfernen. Diese Abstreifer sind eigentlich in Kieswerken im Einsatz. Wir konnten also auf unser Portfolio zugreifen und Lösungen finden, die wir ursprünglich für komplett andere Branchen entwickelt hatten. Das brachte uns auch einen hohen Mehrwert bei den Kunden ein.

Einbauen lassen sich die RCTP in riemen-, wellen und kettengetriebenen sowie motorisierten Rollenförderern. Der Techniker kann sie einfach in die Rollen einklicken.
Einbauen lassen sich die RCTP in riemen-, wellen und kettengetriebenen sowie motorisierten Rollenförderern. Der Techniker kann sie einfach in die Rollen einklicken. Bild: Flexco Europe GmbH

Ein Schwerpunkt auf der LogiMAT waren Ihre Transfer-Lösungen. Dazu gehören die segmentierten Übergangsplatten. Was macht diese so besonders?

Harry Schiminski: Unsere segmentierten Übergangsplatten schaffen einen sicheren Übergang von Band zu Band oder zum Übergabetrichter, um etwa Pakete und Koffer sicher transportieren zu können. Dieses System ist weltweit einzigartig. Kunden, die diese Lösungen einsetzen, schulen wir und stehen ihnen mit unserem Service partnerschaftlich zur Seite. Damit schaffen wir Vertrauen und überzeugen mit unserer Leistung.

Wie kam es zu der Entwicklung?

Tobias Haardt: Wir haben das Produkt schon seit einigen Jahren auf dem Markt. Entstanden ist es aus den Anforderungen heraus. Wir waren bei einem Kunden zu einem ganz anderen Thema eingeladen. Während der Besichtigung erzählte er uns, dass auf den Transportbändern Postsäcke an den Übergängen eingezogen wurden. Es gibt dazu Standardlösungen, die die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Das heißt, der Gesetzgeber schreibt in der DIN EN 16-9 vor, dass an den Förderband-Übergängen ein kleiner Spalt von null bis maximal fünf Millimetern oder ein großer Spalt ab 50mm aufwärts vorhanden sein darf. Diese Norm wurde nun weiter verschärft. Künftig darf der kleine Spalt nur noch maximal drei mm breit sein. Bei den Industrie-Standards handelt es sich etwa um Metallplatten, die den großen Spalt abdecken oder um Teflonleisten für die kleinen Spalte. Damit lassen sich die Abstände bis zum erlaubten Maß reduzieren. Doch dann ist immer noch ein minimaler Spalt vorhanden, in den sich flache Umschläge oder Poly-Bags einziehen können.

Die segmentierten Übergangsplatten sorgen an Bandförderanlagen dafür, dass sich Pakete an den Übergangsstellen nicht stauen.
Die segmentierten Übergangsplatten sorgen an Bandförderanlagen dafür, dass sich Pakete an den Übergangsstellen nicht stauen.Bild: Flexco Europe GmbH

Wir haben uns überlegt, wie sich dieser Spalt schließen lässt. Die starren Metallplatten und Kunststoffleisten dürfen das Band nur so lange berühren, bis keine Verschmutzungen darauf sind. Denn geben sie nicht flexibel nach, können sie das Band beschädigen. Und das kann für die Betreiber richtig teuer werden. Mit unserer Segmenttechnik decken wir den Spalt komplett ab und können trotzdem das Band berühren. Die einzelnen Segmente agieren wie Finger, die mit den Unebenheiten von Band und Rolle mitgehen. Sie halten den Spalt immer geschlossen, ohne die Motorleistung zu beeinflussen. Dazu ist die Lösung sehr langlebig. Wir haben Applikationen schon seit sechs Jahren im Einsatz, die bisher noch kein einziges Mal nachjustiert wurden. Damit können wir durchschnittlich 98 Prozent aller Störungen reduzieren.

Harry Schiminski: Dazu kann ich Ihnen ein Beispiel nennen: Ein großer Versanddienstleister transportierte auf seiner Anlage verpackte Bohrer. Eine Verpackung war beschädigt, so dass die Bohrer auf dem Band lagen. Sie verhakten sich in einem der fünf mm breiten Spalte im Übergang und rissen den 50m langen Gurt auf. Dieser war gerade drei Tage im Einsatz. Mit unseren Transferplatten konnten wir das Problem eliminieren. Dadurch, dass wir das erlaubte Spaltmaß weiter reduzieren, ist die Einzugs-Gefahr minimal.

Tobias Haardt: Noch sind unsere Transferlösungen relativ unbekannt am Markt. Aber alle Kunden, die sie im Einsatz haben, ziehen ein positives Resultat.
Tobias Haardt: Noch sind unsere Transferlösungen relativ unbekannt am Markt. Aber alle Kunden, die sie im Einsatz haben, ziehen ein positives Resultat.Bild: Flexco Europe GmbH

Wie sieht der Bedarf an diesen Lösungen aus und woran liegt das?

Tobias Haardt: Noch sind unsere Transferlösungen relativ unbekannt am Markt. Aber alle Kunden, die sie im Einsatz haben, ziehen ein positives Resultat. Unsere segmentierten Übergangsplatten sind alles andere als 08/15, und unsere Herangehensweise ist komplett anders als der Standard. Das Investment ist etwas höher, deswegen sind auch manche Betreiber skeptisch. Der Vorteil ist jedoch ganz klar: Die flexibel gelagerten Segmente klicken sich bei einer gewissen Kraft aus, um das Band nicht zu beschädigen. Sie können dann ganz leicht gewechselt werden. Nach zwei, drei verhinderten Störungen haben sich unsere Übergangsplatten amortisiert. Denn bei einer Standardlösung muss die bestehende Leiste komplett getauscht werden, und das ist teurer. Dazu kommen lange Stillstände, allein das führt bei unserer Lösung schnell zum Return on Investment.

Harry Schiminski: Im E-Commerce und generell in der Automatisierung sehen wir einen großen Wachstumsmarkt
Harry Schiminski: Im E-Commerce und generell in der Automatisierung sehen wir einen großen WachstumsmarktBild: Flexco Europe GmbH

Auf der LogiMAT haben Sie erstmals die Rollenförderer-Übergangsplatten (RCTP) einem breiten Fachpublikum vorgestellt. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Harry Schiminski: Das ist die konsequente Weiterentwicklung unserer segmentierten Übergangsplatten für Bandförderer. Wir wurden immer wieder von unseren Kunden auf Lösungen für Rollenförderer angesprochen. Denn gerade in Fulfillment-Centern an den Pick-Stationen greifen Mitarbeiter oft blind in die Kartons, um die Waren abzulegen. Stehen die Behälter nicht richtig, können sie zum einen in die drehenden Rollen greifen, was eine erhebliche Unfallgefahr darstellt, zum anderen fallen Umschläge, Polytaschen und kleine Pakete in den Förderer. Damit besteht eine Gefahr von Materialverlust. Einbauen lassen sich die RCTP in riemen-, wellen und kettengetriebenen sowie motorisierten Rollenförderern. Um die Segmente zu installieren, ist kein Werkzeug erforderlich. Der Techniker kann sie einfach in die Rollen einklicken.

Tobias Haardt: Der Betreiber erfüllt damit auch alle Anforderungen der neuen DIN EN 16-9. Sobald diese in Kraft getreten ist, müssen Betreiber ihre Anlagen umrüsten, um die geforderte Spaltbreite einhalten zu können. Wir bieten für sie eine ganz einfache Variante. Sie steigern so ihre Effizienz, erhöhen die Anlagenverfügbarkeit und erfüllen alle Sicherheitsanforderungen. Eine Anlage verdient nur dann Geld, wenn sie läuft, nicht wenn sie gewartet wird.

Welche Branchen bedienen Sie damit?

Tobias Haardt: Aktuell kommen unsere Hauptkunden aus dem E-Commerce oder der KEP-Branche. Im Einsatz sind sie aber auch in Lagerhäusern und an Flughäfen, in der Lebensmittelindustrie sowie in Kühlhäusern – also überall dort, wo Förderbänder Gegenstände transportieren müssen.

Wo geht die Reise hin?

Harry Schiminski: Im E-Commerce und generell in der Automatisierung sehen wir einen großen Wachstumsmarkt, gerade mit den Erfahrungen, die wir während der Corona-Pandemie sammeln konnten. Die Kunden haben sich daran gewöhnt, dass die bestelle Ware spätestens übermorgen vor ihrer Haustür steht. Das setzt viele Unternehmen enorm unter Druck. Dazu kommt der Fachkräftemangel. Durch die Transferlösungen unterstützen wir Betreiber, ihr qualifiziertes Personal für andere Tätigkeiten einzusetzen statt für Reparaturen oder Störungsbeseitigung. Als Partner helfen wir unseren Kunden, dass ihre Anlagen verfügbar, betriebsbereit und optimal ausgelegt sind. Auf der LogiMAT konnten wir dies unseren Besuchern anschaulich zeigen.

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