Intelligente Datennutzung

Ersatzteilprozesse der Zukunft

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Benjamin Reichenecker, CEO und Gründer von PartsCloud, skizziert, wie effiziente Ersatzteilprozesse in der Zukunft aussehen können. Dazu nennt er drei zentrale Aspekte der Prozesskette für den Ersatzteilverkauf, die durch Digitalisierung und externe Expertise in vielen Fällen deutlich verbessert werden können:

  • die Katalog- und Dokumentationssoftware, in der Ersatzteile identifiziert werden,
  • die kaufmännische Abwicklung,
  • und ein Plattformpartner für die Logistik.

Digitale Daten zu Ersatzteilen

Beim Einsatz von Maschinen und Anlagen kann an vielen Stellen und im Prinzip zu jeder Zeit der Bedarf an Ersatzteilen für anstehende Wartungen und Reparaturen entstehen. Maschinenbetreiber bestellen Ersatzteile, da sie nicht alle vor Ort auf Lager haben. Die Kapitalbindung für ein umfangreiches Teilelager vor Ort ist hoch, bestimmte Ersatzteile sind aber dennoch nicht auf Lager somit nicht immer sofort verfügbar. Mitunter dauert es Wochen, bis bestimmte Teile beim Kunden sind. Oft fehlt es am Lager vor Ort schlicht an Platz und Personal. Daher gilt es, die Prozesskette der Ersatzteilbeschaffung zu verbessern. So besteht in der Praxis insbesondere die Notwendigkeit, Teile schnell und zuverlässig zu identifizieren, zu bestellen und zu liefern.

Die Grundlage für die gesamte Prozesskette im Ersatzteilvertrieb sind digitale Daten der Ersatzteile. Die meisten Stammdaten wie die Produktstruktur, Stücklisten oder der Materialstamm werden aus dem ERP-System in den Ersatzteilkatalog importiert. Eine moderne Ersatzteilmanagement-Software zeigt nach dem Import zudem auf, wie es um die Datenqualität bestellt ist und an welchen Stellen Daten fehlen. Zusätzlich sind 2D- und 3D-Daten aus dem CAD-System für die visuelle Identifikation erforderlich. Echte CAD-Daten sind allerdings meist relativ groß und sehr detailliert. Sie liegen zudem in speziellen CAD-Formaten vor, die nur wenige andere Softwaresysteme lesen können. Ein fortschrittliches Katalog- und Dokumentations-Tool wandelt daher die CAD-Daten in ein Lightweight-Format um und verfremdet diese, sodass die 3D-Daten schnell im Browser auf allen Endgeräten geladen werden können, aber das Ermitteln der zugrundeliegenden Konstruktionspläne ausgeschlossen ist. Aus den Strukturen und Stücklisten der Maschinen lassen sich dann strukturierte Ersatzteilkataloge automatisch erstellen.

Ein Webshop ist noch keine E-Commerce-Plattform

Aus einem digitalen Katalog-Tool kann nun eine Übergabe, beispielsweise in Form eines Warenkorbs oder einer entsprechenden Schnittstelle, an das professionelle Shopsystem – als zweite Lösungskomponente – erfolgen. Über ein Ersatzteilkatalog- oder Serviceinformationssystem lassen sich bequem Teile identifizieren und auswählen. Das würde dem allgemeinen Trend in Richtung E-Commerce entsprechen.

Eine spezialisierte Branchenlösung für das produzierende Gewerbe erhält aus dem Katalog-Tool einen Datensatz, sobald ein Kunde auf ein Teil klickt. Dann zieht sie weitere Daten aus dem ERP-System des Ersatzteilanbieters und baut diese in Echtzeit in die Detailseite ein. Hier findet sich das genau definierte Teil, dessen Verfügbarkeit und Lieferzeit sowie der Preis, der bei eingeloggten und damit identifizierten Kunden natürlich dessen Einkaufskonditionen widerspiegelt.

Der eigentliche Bestellvorgang läuft bei B2B-Geschäften anders als bei B2C: Üblicherweise sucht ein Techniker die benötigten Teile zusammen und übergibt diese an die Einkaufsabteilung, die dann die Teile beschafft. Eine E-Commerce-Lösung unterstützt diesen Prozess in den unterschiedlichsten Ausprägungen – von einer direkten Übergabe des Warenkorbs an das SAP-System des Bestellers über die Generierung eines digitalen Angebots bis hin zu einem PDF-Angebot zum Ausdrucken, das dann vom Einkauf weiterbearbeitet werden kann. Der Kunde erhält sein Angebot sofort, nachdem er den Warenkorb gefüllt hat. Im Gegensatz zu früher, als die Angebotserstellung gern einmal eine Woche gedauert hat, ist das ein deutlicher Zeitvorteil für den Besteller. Nicht zuletzt wickelt eine leistungsfähige E-Commerce-Plattform die Bezahlung ab, indem sie beispielsweise die Rechnung in die jeweiligen Systeme weitergibt: entweder beim Lieferanten zur Rechnungsstellung oder beim Besteller zur automatischen Weiterverarbeitung in dessen System. Kunden bezahlen dabei nur das, was sie verbrauchen.

Benjamin Reichenecker, CEO und Gründer von PartsCloud
Benjamin Reichenecker, CEO und Gründer von PartsCloudBild: PartsCloud GmbH

Ersatzteillogistik für den industriellen Mittelstand

Eine spezialisierte digitale Logistikplattform für Anlagen- und Maschinenbau bildet die dritte, ebenso wichtige Komponente eines zeitgemäßen Ersatzteilmanagements. Sie bietet mittelständischen OEM-Kunden die Möglichkeit, eine Ersatzteillogistik aufzubauen, die auf anderem Wege für sie nicht erreichbar ist. Dabei sind Logistikdienstleister (3PL/Third-Party-Logistik) an die Plattform angebunden, um deren Infrastruktur und Anbindung an Carrier, also Frachtführer, und Verkehrsflüsse nutzen zu können. Das lohnt sich, weil sich die Volumina mehrerer OEM-Kunden bündeln und in sogenannten Multi-User-Warehouses über einheitliche Standardprozesse verarbeiten lassen. Kleinere OEMs erreichen nicht die kritische Masse, um von international tätigen Logistikern als Kunden angenommen zu werden. Durch eine digitale Logistikplattform wie PartsCloud werden diese OEMs nun Teil eines größeren Pools und damit als Kunde interessant für einen 3PL. Somit sind kleinere OEMs nicht einzeln, sondern nur als Teil des standardisierten PC-Abwicklungsprozesses als Kunden attraktiv für 3PLs.

Heute ist das Ersatzteillager oft in das Produktionslager integriert – dabei haben diese beiden Lager völlig unterschiedliche Anforderungen. Ein Produktionslager muss so nahe wie möglich an der Produktion sitzen, um dorthin ‚just in time‘ die lang vorher eingeplanten Teile zu liefern. In einem Ersatzteillager geht es zum größten Teil um ungeplante Bestellungen, die schnell oder auf Abruf beim Kunden sein sollen. Daher sollte das Lager möglichst nah beim Kunden oder an Transportwegen liegen, beispielsweise an den Frachtflughäfen Köln/Bonn, Leipzig, Frankfurt oder Nürnberg. So gelingt es, Teile innerhalb von 24 Stunden beispielsweise in die USA zu liefern – inklusive Verzollung.

Eine digitale Logistikplattform mietet Multi-User-Warehouses bei großen 3PLs an und lässt die Lager von diesen betreiben. Die Plattform liefert die Daten, beispielsweise aus einem Webshop, und speist diese direkt in das Logistiksystem seiner Dienstleister ein. Daraufhin generiert der Logistikdienstleister eine Pickliste zum Auslagern, Größenmaße und Gewichte aller Teile, Packmaße, Packstückanzahlen, Dringlichkeit und Adresse. Daraus bestimmt die Plattform dann, welche Transportart und welcher Carrier am besten geeignet ist und schickt die Teile auf die Reise. Der Besteller erhält über die Plattform regelmäßig Statusmeldungen zum Lieferfortschritt und kann so seine Bestellung transparent verfolgen.

Manche, sehr traditionell geprägte Unternehmen befürchten durch diese Auslagerung von Logistikprozessen einen Kontrollverlust, dabei haben sie schon heute oft sehr wenig Kontrolle und Transparenz über die Logistik. Mit einem Plattformdienstleister können sie jedoch ein Servicelevel vereinbaren und erhalten – auf Wunsch direkt in das ERP-System – detaillierte Statusmeldungen. Nebenher lässt sich auch die Datenqualität der Kunden erhöhen, indem beispielsweise Packmaße und Gewichte vom Logistiker erhoben werden. Bei Zukaufteilen lassen sich auch die Ersatzteilkataloge von Komponentenlieferanten anbinden, um fehlende Daten nachzutragen.

Integrierter, optimal austarierter Prozess ist entscheidend

Der gesamte Prozess – von der Ersatzteilbestellung bis zur Auslieferung – muss ausgewogen sein. Es nutzt nichts, Teile in Windeseile zu identifizieren und zu bestellen, wenn dann die Lieferung lange dauert. Im Blick auf die Zukunft sollen die Kunden in der Lage sein, ihr Ersatzteilgeschäft optimal zu planen und skalieren. Ebenso ist es Verschwendung, Expresszuschlag bei der Lieferung bezahlen zu müssen, weil der Bestellprozess den gesamten Zeitpuffer aufgefressen hat. In der Abstimmung der Anforderungen aller Stakeholder liegt die Kunst, Mehrwert für alle zu schaffen: Ersatzteillieferant, Endkunde und Logistiker profitieren am Ende von einer Lösung, die auf Basis von nahtlosen Datenflüssen Transparenz schafft. Daraus ergeben sich die gewünschte Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit und Produktivität des Gesamtprozesses, so dass alle Beteiligten profitieren.


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