Instandhaltung von Feldbussen und Industrienetzwerken

Permanentüberwachung statt Feuerwehreinsätze

Beim Auto ist die Sache klar: "Einmal alle 30.000km oder alle zwei Jahre" - so oder so ähnlich lauten die Empfehlungen von Fahrzeugherstellern für die Intervalle der regelmäßigen Inspektionen. Aber wie sieht das eigentlich bei Feldbussystemen und Industrienetzwerken in industriellen Prozessen aus? Ist deren Instandhaltung wirklich vernachlässigbar? Wenn nein, wieviel ist nötig? Dieser Frage geht der folgende Beitrag nach.
 Bild 1: Eine Diagnose von Feldbussen und Netzwerken im laufenden Betrieb nach dem Vorbild der Onboard-Diagnose bei PKW hilft nicht nur bei der Zustandsüberwachung, sondern alarmiert Betreiber rechtzeitig, wenn Wartungsbedarf besteht.
Eine Diagnose von Feldbussen und Netzwerken im laufenden Betrieb nach dem Vorbild der Onboard-Diagnose bei PKW hilft nicht nur bei der Zustandsüberwachung, sondern alarmiert Betreiber rechtzeitig, wenn Wartungsbedarf besteht. – Bild: ©noelsch/pixabay.com

Obwohl die Wartungsintervalle bei Autos auf langjährigen Erfahrungswerten basieren, sind auch sie nur Richtwerte. Zusätzlich können zwischen den Intervallen betriebsabhängig weitere kleine Arbeiten nötig sein, etwa die Prüfung des Reifendrucks, Kühlwasser auffüllen oder Ähnliches – alles im Sinne einer ungestörten Fahrt und dem guten Gefühl beim Fahrer, nicht in der nächsten Sekunde mit einer Funktionsstörung rechnen zu müssen. Zu diesem guten Gefühl trägt maßgeblich die bei Autos inzwischen weit entwickelte Onboard-Diagnose (Bild 1) bei. Sie informiert rechtzeitig über Anomalien, stellt eine Diagnose und gibt im besten Fall sogar noch eine Handlungsempfehlung, um Abhilfe zu schaffen. Während dieses Prinzip auch bei mechanischen Komponenten in Maschinen und Anlagen der Industrie mittlerweile gang und gäbe ist, wird die Funktion von Feldbussen und Industrienetzwerken noch viel zu oft ohne Überprüfung vorausgesetzt.

Ein Praxisbericht über Zustand und Wartung industrieller Netzwerke

Die Messingenieure des Thüringer Technologieunternehmens Indu-Sol GmbH werden jährlich zwischen 400 und 700 Mal von Kunden aus den verschiedensten Industriezweigen gerufen. Der Grund: Immer häufiger treten in Produktionsanlagen ‚mysteriöse‘ Ereignisse sporadisch und nicht reproduzierbar auf, die die Abläufe zumindest punktuell stören. Ein Komponententausch hilft wenn überhaupt nur kurzfristig. Über eine messtechnische Analyse der Datenkommunikation lassen sich jedoch allerhand Symptome ermitteln: Abgeschliffene Kontakte, veraltete Firmware von Geräten oder auch eine elektromagnetisch unverträgliche Maschinen- und Anlageninstallation wirken sich nachteilig auf die Kommunikationsqualität und damit den Maschinen-/Anlagenbetrieb aus.

Bild 3: In PROmanage NT können Diagnosedaten aus einzelnen Netzwerken in der Topologie bzw. dem Hallenlayout verortet werden. 
Unterlegung der Diagnoseergebnisse in Ampelfarben zeigen sofort, ob und wo Handlungsbedarf besteht.
In PROmanage NT können Diagnosedaten aus einzelnen Netzwerken in der Topologie bzw. dem Hallenlayout verortet werden. Unterlegung der Diagnoseergebnisse in Ampelfarben zeigen sofort, ob und wo Handlungsbedarf besteht. – Bild: Indu-Sol GmbH

Der Vortex-Report

Die aktuellen Erkenntnisse aus den Messeinsätzen des jeweils zurückliegenden Jahres veröffentlicht Indu-Sol im sogenannten Vortex-Report. Im vergangenen Jahr rückten die Messingenieure insgesamt 437 Mal aus – nur etwa jeder zweite Einsatz davon war geplant, also eine vorbeugende Messung oder regelmäßige Inspektion analog zum PKW. Die andere Hälfte setzt sich aus Fehlersuchen zusammen, also Reaktionen auf bereits spürbar eingetretene Qualitätsverschlechterungen in den Automatisierungsprozessen, die die Betreiber weder erklären noch selbst beheben konnten. Von 185 Fehlersuchen waren sogar 123 sogenannte SOS-Einsätze: Hier musste der Service-Techniker aufgrund einer schwerwiegenden Störung am besten sofort vor Ort sein, da sonst anhaltende Produktionsstillstände drohten! Dabei fällt auf, dass bei Fehlersuchen in Profibus-Netzwerken mehr als jeder zweite Einsatz als SOS deklariert werden musste, im Profinet nur jeder fünfte. Bei Profinet hat sich also – lernend aus den Erfahrungen mit Profibus – die Erkenntnis der vorbeugenden Wartung mit regelmäßigen bis permanenten Messungen durchgesetzt.

Ist Langlebigkeit planbar?

Dennoch gab ein gutes Drittel der Teilnehmer eines Indu-Sol Webinars im Oktober 2019 an, keine gezielte Netzwerkinstandhaltung zu betreiben. Nur in 7% der Fälle ist sie dieser Umfrage zufolge ein eigener Budgetposten. Eine dauerhafte Zustandsüberwachung von Feldbussen und Industrienetzwerken ist also noch immer kein Standard, obwohl sie die Lebensadern der Maschinen und Anlagen sind. Immerhin planen zumindest die Teilnehmer des oben benannten Webinars überwiegend mit einer Maschinen-/Anlagenverfügbarkeit von mindestens 95% und das in vielen Fällen für mindestens 20 Jahre – viel länger also, als die meisten Autos auf den Straßen unterwegs sind. Um dieses Ziel zu erreichen, gehört eine dauerhafte Zustandsüberwachung von Anfang an in jeden Feldbus bzw. jedes Netzwerk. Bei Profinet-Neuanlagen setzt sich dieser Gedanke immer stärker durch und es wird bereits bei der Inbetriebnahme eine Abnahmemessung durchgeführt. Mit dieser lässt sich die Qualität der Anlagenerrichtung nachweisen und sicherstellen, dass die Anlage mit 100% Funktionsreserve an den Start geht. Außerdem ist die aktuelle Topologie dokumentiert, wodurch eventuelle spätere Änderungen im Netzwerkaufbau identifiziert werden können. Dies gewinnt nicht zuletzt in Bezug auf die immer stärkere Vernetzung und den damit in Zusammenhang stehenden höheren Sicherheitsanforderungen an Bedeutung. Eine dauerhafte Zustandsüberwachung ab dem ersten Telegramm sorgt für eine bedarfsgerechte und kostenschonende Instandhaltung.

 Bild 2: Alles im Blick: Mit der Monitoring-Software PROmanage NT lassen sich die Netzwerktopologien (linker Monitor), der Netzwerkgesamtzustand bis hin zu Einzelgeräteinformationen (Mitte) und deren Verortung im Hallenlayout (rechts) zentral überwachen.
Alles im Blick: Mit der Monitoring-Software PROmanage NT lassen sich die Netzwerktopologien (linker Monitor), der Netzwerkgesamtzustand bis hin zu Einzelgeräteinformationen (Mitte) und deren Verortung im Hallenlayout (rechts) zentral überwachen. – Bild: ©viappy/fotolia.de

Automatisierte Überwachung, Meldung im Bedarfsfall

Mit dem von Indu-Sol entwickelten System zur Permanenten Netzwerküberwachung (PNÜ) lassen sich Feldbusse und Netzwerke dauerhaft rückwirkungsfrei überwachen, um bei Bedarf sofort eine Aussage über den jeweiligen Zustand treffen zu können. Dazu ermitteln passive Datensammler, sogenannte INspektoren, die nötigen Qualitätswerte aus den einzelnen Netzwerken und alarmieren vorbeugend, sobald kritische Veränderungen auftreten. In ethernetbasierten Netzwerken können das zum Teil auch die Switches leisten, sofern sie managebar sind. Die zentrale Monitoring-Software PROmanage NT liest die Diagnosedaten der INspektoren sowie die Portstatistiken der Switches aus und bündelt diese auf einem zentralen Server. So entsteht selbst in weit verzweigten Strukturen ein leicht erfassbarer Gesamtüberblick (Bild 2). Bei Bedarf lässt sich die Analyse mit wenigen Klicks bis auf das einzelne Gerät zurückverfolgen, welches die Meldung abgesetzt hat.

Promanage NT

In PROmanage NT können Betreiber sich diese Informationen mit topologischen Darstellungen und Hallenlayouts (Bild 3) zu einer zentralen Datenbank kombinieren, die sich selbst aktualisiert, bei kritischen Ereignissen vorbeugend meldet und mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz präzise Diagnoseinformationen auf den Punkt bereitstellt. Die Anfangsinvestitionen in diese Lösung amortisieren sich schnell, da statt der noch heute üblichen intervallbasierten Instandhaltung nun eine bedarfsgerechte Wartung möglich wird. So wird etwa auch ein vorzeitiger Gerätetausch vermieden, da die Zustandsüberwachung anzeigt, wenn Handlungsbedarf besteht.

Fazit

Durch eine automatisierte, permanente Zustandsüberwachung von Feldbussen und Industrienetzwerken wird die Verfügbarkeit von Anfang an maximiert und Instandhaltungsaufwände bleiben auf ein notwendiges Minimum beschränkt. Dank der präzisen Zustandsinformationen aus den Einzel-Netzwerken kann der Betreiber entscheiden, ob er die Wartung selbst vornimmt oder einen Netzwerk-Spezialisten hinzuzieht. Bereits bei der Konzeption des Netzwerks wird also die Basis für einen stabilen Maschinen- und Anlagenbetrieb gelegt. Eine Festschreibung von Qualitätskriterien und Überwachungslösungen in der firmeneigenen technischen Lieferspezifikation (Lastenheft) schafft aufseiten der Betreiber die notwendigen Qualitätsstandards. Mit diesem Rüstzeug im Gepäck lassen sich die Herausforderungen einer vernetzten Zukunft gut gewappnet angehen.

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